Dr. Qing Li ist weltweit führender Experte für Waldmedizin. Dass er Lavanttaler Wurzeln hat, ist ein Gerücht. Wahr ist vielmehr, dass die Menschen zwischen Saualm und Koralm schon lange auf die wohltuenden Kräfte des Waldes vertrauen.
Bodenständig, zufrieden mit der kleinen Welt im Grünen. Auch so werden Hiesige im Lavanttal beschrieben. Die Einschätzung kommt nicht von ungefähr. Fragt man nämlich nach Strategien zur Regeneration und Stressbekämpfung, lautet die Antwort in neun von zehn Fällen: „I geh außi.“ Soll heißen: ins Grüne hinterm Haus, in den Wald, auf die Berge. Gemütlich, mit sportlichem Ehrgeiz, Hund oder Walking-Sticks. Solo oder in Begleitung. Als Variante hört man noch: „I setz mi aufs Radl.“
„Ein Segen,“ dankten die Leute dem Himmel und der Tatsache, dass sie auch in Corona-Zeiten ihren Freiraum in der Natur finden konnten. Auf die Alm, vorbei an den Streuobstwiesen – ja, die gibt’s hier noch! –, den Maisfeldern – von denen gibt’s noch mehr –, der Lavant entlang, in verschlungene Gräben und sehr oft in den Wald.
Dass manche erfolgreiche Sportlerkarriere daher mit dem Schritt vor der Haustüre begann, ist wenig verwunderlich. Joe „Tiger“ Pachler, Europameister im Weltergewicht von 1978, musste den Weg vom Bergbauernhof seiner Eltern am Weißenberg zur Volksschule im Tal zu Fuß gehen. Fünf Kilometer hin, fünf Kilometer zurück. Ein gutes Basistraining für den Lavanttaler Rocky.
Auch der junge Skiprofi Luca Tribondeau, der als Slopestyler bei den Olympischen Spielen in Sotschi dabei war, lernte das Schifahren auf der Koralm. Use what you have.

Dass eine ordentliche Dosis Vitamin N wie Natur das gesamte System von Körper, Geist und Seele nachweislich stärkt, darf als bekannt vorausgesetzt werden. „Beim Alphalauf kann man aber noch mehr für das eigene Wohlbefinden tun“, sagt Angelika Karrer, die auch beruflich auf die Kraft der Natur setzt. Die Gesundheits- und Pflegewissenschaftlerin pendelt beruflich zwischen Graz und ihrem Heimatort Forst.
Das kleine Bergdorf auf der Saualm ist nach wie vor ihr Kraftort, den sie nicht missen will. Ideal für ihre Yoga-Einheiten im alten Schulhaus am Berg und das Alphalauf- Coaching, das sie auch im Tal anbietet.
„Der Alphalauf ist ein Mix aus Laufen, Entspannungstechniken und Meditation“, erklärt sie. „Es geht um Lauftechnik und fixe Phasen, in denen wir zwischen Gehen, Laufen, Achtsamkeitsübungen und Mentaltechniken wechseln.“ So wird das Gehirn in einen entspannten und gleichzeitig hellwachen Zustand versetzt, in dem die Alpha-Wellen überwiegen. „Es geht nicht um Meter und Sekunden, sondern um Achtsamkeit, aktive Erholung und Ausgleich und vor allem um Wohlbefinden bis ins hohe Alter“, beschreibt sie die Vorzüge der Methode.
Andere schwören aufs Waldbaden. So nennt der japanische Waldmediziner Qing Li seine Burnout-Prophylaxe, die er in jahrelanger wissenschaftlicher Arbeit entwickelt hat. Die Kurzfassung seiner Shinrin-Yoku-Methode: Durch spezielle Übungen und die Auszeit im Wald profitiert man von den natürlichen Pflanzenbotenstoffen, den Terpenen, die die Sinne anregen und Körper und Seele in Einklang bringen. Zwei Stunden pro Woche im Wald genügen, sagt der Mediziner, damit Herz-Kreislaufsystem, Stoffwechsel, Konzentration, Blutzucker und Immunsystem besser funktionieren.
Dass Qing Li Lavanttaler Wurzeln hat, ist ein Gerücht. Wahr ist vielmehr, dass die Menschen hier schätzen, was ihnen der Wald gibt. Sie finden die Ruhe, die sie sich wünschen, und die Kraft, die sie brauchen, um persönliche Krisen und solche zu überstehen, die die ganze Welt verunsichern.
So gesehen müssten die Lavanttalerinnen und Lavanttaler eigentlich zu den gesündesten Menschen des Landes zählen. Wenn sie es nicht sind, so liegt es wohl an den unwiderstehlich guten Zutaten für die Brettljause, am „Woazas“, dem feinen Weißbrot, und an all dem, was sich gut dazu trinken lässt. Wer hier geht, läuft und radelt, muss dies also schon allein deshalb tun, um danach guten Gewissens zu genießen.
Qing Li, Die wertvolle Medizin des Waldes, ISBN 978-3-499-63401-7
Fotos © U.Karrer, N. Popp